Offener Brief: Machtmissbrauch und ein Klima der Angst beim Film Festival Cologne

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Ich nehme an, dies wird in den nächsten Tagen ein paar Wellen schlagen, kurz bevor die nächste Ausgabe des Film Festival Cologne vom 17. bis 24. Oktober stattfinden wird.

Mir wurde schon vor einiger Zeit berichtet, wie es um das Arbeitsklima beim Film Festival Cologne gestellt sein soll.

Die Mail, die gestern Abend mit dem Betreff "Machtmissbrauch und ein Klima der Angst beim Film Festival Cologne" verschickt wurde:

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Reker,
sehr geehrter Herr Minister Liminski,
sehr geehrter Herr Nakschbandi,
liebe Kunst- und Kulturschaffende,
liebe Vertreter*innen der Presse,
liebe Kooperationspartner*innen des Festivals,

wir, eine Gruppe ehemaliger Mitarbeiter*innen des Film Festival Cologne, möchten öffentlich machen, was sich hinter den Kulissen des Film Festival Cologne abspielt, und was in der Filmbranche längst ein offenes Geheimnis ist.

Wir möchten Missstände rund um die Themen Machtmissbrauch, ein ausbeuterisches Unternehmenssystem und ein Klima der Angst offenlegen, um die unzumutbaren Zustände für Mitarbeitende zu beenden – und dabei auch auf einen intransparenten Umgang mit öffentlichen Fördergeldern hinweisen.

Dabei adressieren wir – knapp sieben Jahre nach #MeToo – auch Themen, die über das FFCGN hinausreichen, und hinterfragen, warum Machtmissbrauch immer noch verharmlost, verschwiegen und weiter mit öffentlichen Geldern gefördert wird.

Das Film Festival Cologne ist eines der zentralen Kulturevents Kölns und hat Strahlkraft weit über die Grenzen der Stadt hinaus. Mit der Content-Plattform FFCGN wurde zusätzlich ein eigenes Online-Filmmagazin geschaffen. Beides ist nur durch die finanzielle Förderung durch Partner – allen voran der Film- und Medienstiftung NRW, der Stadt Köln und der Staatskanzlei NRW – möglich und ohne den enormen Einsatz eines Teams von bis zu 12 Mitarbeitenden nicht umsetzbar. Mitbegründerin und heutige Alleingeschäftsführerin der Cologne Conference GmbH sowie der zwei Unternehmen SGP Social Globe Projects UG und HMR International GmbH & Co. KG ist Martina Richter. Sie allein bestimmt die Aktivitäten des Festivals und verwaltet enorme öffentliche Fördersummen – und damit Steuergelder. Ihren Ehemann Till Stein hat sie in einem gut dotierten Job bei SGP Social Globe Projects UG installiert, der seinerseits ihm zugeteilte Arbeiten oft an andere delegiert.
Die Fluktuation bei FFCGN ist hoch – so hoch wie in kaum einer anderen kulturellen Institution der Stadt: Mitarbeitende kommen und gehen, und viele von ihnen halten es nicht mal ein paar Monate aus. Die Gründe dafür sind den meisten Menschen der Branche bekannt, und doch ist es schwierig, mit Worten ein Arbeitsklima der Angst zu beschreiben. Begriffe wie „toxisch“, „Gaslighting“ oder „Mobbing“ bleiben hinter einer Erfahrung zurück, die bei vielen von uns bis heute psychische Narben hinterlassen hat. Die Versuchung ist groß, die erlebten Übergriffe als Ausrutscher einer cholerischen Persönlichkeit zu bagatellisieren. Doch wenn wir bagatellisieren und wegsehen, dann entsteht ein Konsens, dass es als Teil der Kreativbranche dazu gehört, sich übergriffigen Führungspersönlichkeiten unterzuordnen. Wir erheben unsere Stimmen, um die Deutungshoheit unserer Erlebnisse wiederzuerlangen und unsere Erfahrungen als das zu beschreiben, was sie waren: Formen von Machtmissbrauch und psychischer Gewalt. Die Ausbeutung durch unsere ehemalige Chefin findet so schon seit Jahren statt – und sie folgt einem klaren System.
Martina Richter versteckt ihre Haltung nicht: Wir nutzen andere aus, solange wir sie brauchen. Diese anderen, es sind einerseits die Fördergeber des Festivals, die Martina Richter regelmäßig hinter ihrem Rücken beschimpft und verunglimpft. Es sind andererseits die Partnerunternehmen, deren Geld und Reichweite dem Festival dienen, ebenso wie externe Mitwirkende, deren Qualifikationen oder Reputation dem Projekt FFCGN so lange helfen, bis sie uninteressant werden. Martina Richter diffamiert sie und spricht vor Dritten und hinter ihrem Rücken in abwertender Weise über sie. Doch letztendlich sind es vor allem die Mitarbeitenden selbst, die ausgenutzt werden: Sie arbeiten unter psychischer Belastung, fallen plötzlich in Ungnade, werden wiederholt zum Ziel der Angriffe ihrer Chefin und irgendwann plötzlich entlassen.
Der Führungsstil von Martina Richter ist autoritär und geprägt von einem Mangel an Fehlerkultur, Misstrauen, Mikroaggressionen, Mikromanagement, Kontrollwahn und Willkür. Als Festival-Chefin überwacht sie jeden noch so kleinen Arbeitsschritt – von der Auswahl der Festivalgäste und des Programms bis hin zu Formulierungen einzelner Social-Media-Posts und Mails der Mitarbeitenden –, ja sogar die Interaktion ihrer Mitarbeitenden untereinander. Entscheidungen fällt sie erratisch, ohne ersichtliche Gründe und situationsbedingt. Neue Projekte und Kooperationen werden spontan aus der Taufe gehoben und oft ebenso schnell wieder begraben. Dazwischen liegen quälende Tage, Wochen und Monate für das Team – und viele vergeudete Ressourcen.

Bemerkt Martina Richter den Mangel an Kohärenz selbst, reagiert sie ungehalten. Regelmäßig werden andere für ihre Fehler verantwortlich gemacht. Wenn Angegriffene diesen Vorwürfen widersprechen, werden sie systematisch infrage gestellt, gemobbt und derart unter Druck gesetzt, dass sie selbst anfangen, an ihren Fähigkeiten zu zweifeln. Häufig verfolgt Martina Richter dabei eine Strategie der Isolation: Statt Fehler allgemein anzusprechen, attackiert sie Mitarbeitende persönlich und stellt sie bloß – meist vor versammeltem Team und Gästen.

Viele von uns haben das Festival verlassen, weil sie nicht mehr konnten. Anderen wurden von einem Tag auf den anderen die Zusammenarbeit aufgekündigt - oft unpersönlich, mit einem Anruf oder einer Textnachricht, in den seltensten Fällen mit einer überzeugenden Begründung. Das ging deshalb so unbürokratisch, weil bis vor Kurzem kaum jemand festangestellt war. Über Jahre haben Menschen bei FFCGN in Scheinselbstständigkeit gearbeitet: Selbst langjährige Mitarbeitende schrieben monatlich Rechnungen, mussten aber zu festen Arbeitszeiten im Büro sein, was so auch Tätigkeiten für andere Auftraggeber erschwerte. Ihre Arbeitsleistung wurde dabei wechselnd über alle drei Firmen von Martina Richter abgerechnet. Dies machte es unmöglich, die Vorteile einer freiberuflichen Tätigkeit zu genießen, und zeigte nach einer Aufkündigung der Zusammenarbeit existenzgefährdende Wirkungen. Mitarbeitende, die wie Festangestellte behandelt wurden, fanden sich nach einer Kündigung von einem Tag auf den anderen in einer prekären Situation wieder.

Die Übergriffe und psychischen Verletzungen, die wir erlebt haben, können wir nicht ungeschehen machen. Sehr wohl aber können wir unseren Beitrag dazu leisten, dass künftig niemand mehr Ähnliches erleben muss. Dies zu verhindern sollte im Interesse einer breiten Öffentlichkeit sein, denn was bei FFCGN passiert, schadet auch einem millionenschweren Kulturprojekt, das mit Steuergeldern gefördert wird. Rund eine Million Euro fließen jedes Jahr in das Film Festival Cologne und landen in den Händen einer einzigen Person, die dieses Geld fast vollständig eigenmächtig verwaltet.

Wir, eine Gruppe von ehemaligen Mitarbeitenden, wenden uns an Sie, um unser Schweigen zu brechen. Wir wenden uns an rund 160 Empfänger*innen, weil wir uns einen öffentlichen Diskurs über die Arbeitsbedingungen beim Film Festival Cologne wünschen. Wir fordern, dass das Festival – als öffentlich gefördertes Projekt – in eine mehrheitlich öffentliche Trägerschaft übergeht. Wir appellieren an die institutionellen Fördergeber*innen die Verantwortung für das Film Festival Cologne in vertrauensvolle Hände zu geben und einer Kontrolle durch Dritte zu unterziehen. Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr und handeln Sie im Sinne einer guten Kultur innerhalb der Kulturlandschaft.

Mit freundlichen Grüßen,
Neun ehemalige Mitarbeitende des Film Festival Cologne

Meiner Meinung nach ein sehr mutiger Schritt, damit an die Öffentlichkeit zu gehen.

Und um die eventuell gestellte Frage gleich zu beantworten: Nein, ich habe keinerlei Kenntnis darüber, um wen es sich bei den neun ehemaligen Mitarbeitenden handelt.


In der Presse wird mittlerweile auch darüber berichtet:


[EDIT: Jetzt hinter einer PayWall, eben konnte ich den Artiekl noch lesen.]

 
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