Baby Blood (F 1990), frz. Ton mit UT,
8/10
Yanka arbeitet als Dompteurgehilfin in einem kleinen Zoo. Ihr Mann, der Zirkusdirektor, ist ein dominanter Klotz, der Yanka nach seiner Pfeife springen lässt. Als als ein Leopard als neue Attraktion angeliefert wird, explodiert dieser kurz darauf in seinem Käfig. Anscheinend hatte sich ein fremder Organismus in ihm eingenistet, der in Yanka einen neuen Wirt findet, um weiter zu wachsen. Dafür braucht er allerdings Blut...
Der Film beginnt ganz eindrucksvoll mit Bildern von Lavaeruptionen und beschwört die Präsenz eines Wesens, das schon seit der Entwicklung der ersten primitiven Lebensformen auf der Erde weilt, nur nicht die Chance hatte, geboren zu werden.
Alain Robak wollte ursprünglich den billigsten Film der Welt drehen, wie er selber sagt. Man sieht
Baby Blood an, dass er kein Hollywood-Budget zur Verfügung gehabt hat, aber die Fotografie sieht ganz hervorragend aus. Man hatte aufgrund des geringen Budgets nur wenige Leuchtstrahler am Set, dieses Manko erwies sich für den Film als Vorteil. Die Ausleuchtung sieht kontrastreich, natürlich und sehr stimmungsvoll aus und die Bildgestaltung ist überaus kreativ.
Baufällige Häuser und Großstadttristesse geben ein schön abgeranztes Ambiente ab. Hauptdarstellerin Emmanuelle Escourrou ist omnipräsent und dieser Aufgabe absolut gewachsen und stürzt sich wirklich ohne Kompromisse in die Rolle rein. Den Zustand zwischen anfänglicher Abscheu und der späteren Verbrüderung mit ihrem Gast ist, bringt sie glaubwürdig rüber. Im Kern ist der Film eine Art von schräger Liebesgeschichte.
Der Film stellt Schwangerschaft als
Body Horror dar, was ja gar nicht mal so abwegig ist. In der Schwangerschaft ist die Frau diesem Prozess ausgeliefert, inkl. Übelkeit und ungewissem Ausgang. Jeder Fötus durchläuft die evolutionären Frühstadien, in
Baby Blood kommt es selber aus Urzeiten. Der Fötus pflanzt sich in einem Akt -- der Verführung oder Vergewaltigung sein könnte -- selber ein und damit ist er Erzeuger und Leibesfrucht in einer Person.
Die Männer kommen in dem Film nicht gut weg. Sie sind Unterdrücker, sexistisch und/oder Trottel. Der einzige Mord an einer Frau ist im Gegensatz zu allen anderen unblutig und scheint nur dadurch motiviert worden zu sein, dass sie in höchsten Tönen das Mutterglück preist. Hier kehrt die normalerweise hilfsbedürftige schwangere Frau den Spieß um und erkämpft sich mit Gewalt ihren Freiraum, angetrieben vom Fötus, der sonst noch weniger zu melden hat als die Frau und sich in einer Szene gar aktiv gegen seine Abtreibung wehrt.
Dem Mittelteil hätte etwas mehr vorantreibende Gradlinigkeit gut getan, dafür hält das Ende ein paar gelungene Überraschungen bereit.
Die Kamerafahrt in Yankas Körper zeigt auch sehr schön, wie
Fantastic Voyage (USA 1966) ausgesehen hätte, wenn man dort den menschlichen Körper ebenfalls aus Pappmaché nachgebaut hätte.
Von den surrealistisch angehauchten Einlagen hätte es gerne noch mehr geben können.
Baby Blood hat eindeutig Spaß an der Exploitation. Wer offen ist für einen blutigen, schrägen Film, der sich nicht immer ganz ernst nimmt, darf beherzt zugreifen. Leute, die alles auf Glaubwürdigkeit abklopfen oder reine Splatterfans werden an
Baby Blood wahrscheinlich nicht so viel Vergnügen haben.
BILD UND TON: Die Bildqualität ist schlicht und einfach fantastisch und nicht wenige Einstellungen lassen einen vor Freude in die Hände klatschen. Der Ton macht ebenfalls ein sehr guten Eindruck.
EXTRAS (alle SD): Üppig und ein echter Mehrwert. Drei Musikvideos und der Location-Trip finden weder in der Inhaltsbeschreibung der Blu-ray noch auf auf der Webseite von Bildstörung Erwähnung!
Die beiden
Kurzfilme sowie die drei
Musikvideos sind gut gemacht, amüsant und unterhaltsam. Der 7-minütige Kurzfilm
Corridor hat mir am besten gefallen.
Der
Location-Trip mit Alain Robak zeigt überraschend, dass 30 Jahre später immer noch ein Zirkuszelt an der gleichen Stelle steht!
Die fünf
Interviews runden das Paket mit Infos aus erste Hand ab.
Die drei Texte im 28-seitigen
Booklet bieten jeder auf seine Weise interessante An- und Einsichten.
In den
Audiokommentar habe ich nur kurz reingeschaut, der lohnt sich auf jeden Fall.
Witzige Anekdoten aus den Extras:
Baby Blood lief beim
Avoriaz Film Festival nur außerhalb des Wettbewerbs, doch Wes Craven, der in der Jury saß, schleppte die anderen Mitglieder in
Baby Blood und schlussendlich wurde dem Film der Spezialpreis der Jury verliehen, zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte des Festivals.
Die zwei Punks, die kurz im Film auftauchen, wurden mal eben vom Bahnhof 'mitgenommen'. Nachher viel auf, das man nicht mal ihre Namen notiert hatte. Vielleicht wissen die beiden nicht mal, das sie in einem Kultfilm verewigt wurden.
Emmanuelle Escourrou erzählt wie sie die Fortsetzung
Lady Blood (2008) auf den Weg gebracht hat, mit einem allerdings wenig erfreulichem Ergebnis.
Eine fabelhafte Veröffentlichung!